Das Europäische Parlament hat diese Woche zur Europäischen Gleichstellungswoche ausgerufen. Anlass ist der 25. Jahrestag der Pekinger Erklärung, die einen Meilenstein im Kampf um gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter darstellt.
Ein alter Hut?
Ein Vierteljahrhundert später wird ja das wohl hoffentlich kein Thema mehr sein - möchte man meinen. Ist es aber leider. Das zeigt sich nicht nur an den hohen Wellen, die die #Metoo Bewegung geschlagen hat.
Aber ist das Bemühen um Gender Equality jetzt berechtigt oder nicht? Geht es wirklich darum, Männern die Lebensberechtigung abzusprechen und sie einem tyrannischen Matriarchat zu unterwerfen?
Oder hat sich an der unterprivilegierten Position der Frauen in Europa wirklich seit dem Mittelalter nichts geändert, und sind Frauen immer noch hilflos den Machtgelüsten gewaltbereiter Patriarchen hilf- und schutzlos ausgeliefert?
Die Antwort lautet: Weder noch!
In den letzten fünfzig Jahren hat sich vieles getan: Die Teilhabe am öffentlichen Leben hat sich drastisch verstärkt. Frauen haben jede rechtliche Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben ohne männliche Bevormundung zu führen. Ob in Politik oder Wirtschaft: Starke Frauen, die die Geschicke unserer Gesellschaft mitbestimmen sind wenn schon nicht alltäglich, so zumindest deutlich häufiger geworden.
Frauenrechte gefährdet
Also eh alles gut und Europa auf dem Weg in die richtige Richtung? Nicht unbedingt. Jüngste Entwicklungen lassen bei den Kämpfer*innen für Geschlechtergleichstellung die Alarmglocken schrillen.
COVID als Gleichstellungs-Killer
Die aktuelle Coronakrise trifft uns alle. Die verordneten Maßnahmen finden bei weitem nicht überall ungeteilte Zustimmung. Es sind von der Krise aber längst nicht alle gleichermaßen betroffen: Internationale Studien zeigen auf, dass durch COVID bestehende Ungleichheiten vergößert werden: Die Kluft zwischen Privilegierten und Minderprivilegierten wird weiter - und tiefer.
Dies gilt auch für die Gleichstellungsbestrebungen: Frauen sind überproportional von den wirtschaftlichen Auswirkungen betroffen, haben in den Zeiten nationaler Lockdowns den Bärenanteil der Betreuungsarbeit und des Homeschooling übernommen und müssen langfristig mit den größeren finanziellen Einbußen und den schlechteren Aussichten auf den Arbeitsmärkten rechnen.
Gewalt im Vormarsch
Aber nicht nur wirtschaftlich, auch im Bereich der Gewaltprävention brachten die vergangenen Monate eine deutliche Verschlechterung. Misshandlungen und häusliche Gewalt haben stark zugenommen.
Dieses Phänomen zeig sich in allen Mitgliedstaaten - dennoch gibt es bis dato keine gemeinsamen Anstrengungen, das Problem in den Griff zu bekommen.
Digitale Gleichberechtigung
Auch die digitale Transformation birgt Gefahren: Frauen sind in der digitalen Welt drastisch unterrepräsentiert. Von den impliziten Diskriminierungen durch diverse Algorithmen, die eine de facto Benachteiligung in Fragen des täglichen Lebens nach sich ziehen, ganz zu schweigen.
Hier ortet das EU-Parlament die Notwendigkeit, das Problembewusstsein zu schärfen, und ganz gezielt auf digitale Diskriminierung zu achten.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Eine der Grundforderungen der Gleichstellung ist die gleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Dass wir davon immer noch ein gutes Stück entfernt sind, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass wir letzte Woche - um genau zu sein am 22. Oktober - den Equal Pay Day begingen: Jenen Tag, ab dem Frauen statistisch betrachtet umsonst arbeiten, wenn man das Jahreseinkommen mit Männern vergleicht...
Fazit: Nein, Frauen werden in der EU nicht mutwillig unterdrückt. Und nein, die meisten Männer enthalten Frauen nicht bewusst und absichtlich deren Anteil am Kuchen vor. Fakt ist aber auch, dass wir bis zur völligen Gleichstellung noch ein gutes Stück zu gehen haben - und der Weg wird steiler.
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