Klimapolitik als wichtigstes Zukunftsthema im Fokus
Auch wenn im Zuge der Covid-Krise in den letzten anderthalb Jahren die Menschenmassen auf den Straßen der Welt abgeebbt sind. Ungeachtet der Tatsache, dass Jugendliche ihrem Unmut nicht mehr lautstark und medienwirksam Luft machen. Ungeachtet der Tatsache, dass man in den vergangenen Monaten Anthony Fauci in den Medien weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat als Greta Thunberg: Die KLimakrise ist weder abgesagt, noch ist sie weniger dringend geworden. Die unbequeme Wahrheit ist - wir müssen handeln, und das schnell!
Noch ist das Zeitfenster für eine Rettung der Welt wie wir sie kennen offen - aber es schließt sich unerbittlich! (Andrew Ringsmuth)
"Wenn wir so weitermachen wie bisher, haben wir bis 2050 eine globale Erwärmung von mindestens 1,5°C gegenüber dem Temperaturniveau vorindustrieller Zeit. Bis 2070 wären es rund 2°C", warnt Andrew Ringsmuth, Klimaforscher am Wegener Institut für Klima und Globalen Wandel an der Karl-Franzes-Universität in Graz.
Aber - was bedeutet das? Welche Auswirkungen hat das auf unser Leben?
Wir sind schon mittendrin
Es lässt sich weder leugnen noch wegdiskutieren - der Klimawandel ist schon voll im Gange. Bereits jetzt sind die temperaturen um 1,1°C wärmer als vor der Industrialisierung. Und mittlerweile ist es auch für nicht besonders aufmerksame Beobachter mit freiem Auge erkennbar. Ausgedehnte Dürreperdioden. Waldbrände außer Kontrolle. Plötzliche Starkregen und immer häufigere Stürme. Viel zu milde Winter und Spätfröste, die nicht nur Obstkulturen empfindlich treffen. Und das ist erst der Anfang.
"Aktuell verzeichnen wir einen Temperaturanstieg, der rund 170x so schnell voranschreitet wie in den vergangenen 7000 Jahren. Natürlich gab es immer Schwankungen - allerdings bewegten diese in den letzten 3 Mio Jahren sich immer in einem Bereich von maximal 2°C Abweichung von der vorindustriellen Temperaturen. Wir sind drauf und drann, diese Range zu sprengen - und das in einer Phase, wo aufgrund verringerter Sonnenaktivität eigentlich eine Abkühlung zu erwarten wäre", lässt Ringsmuth Relativierungsversuche nicht gelten.
Die Tipping Points
Im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist immer wieder die Rede von sogenannten Kippelementen. Dies sind Systeme wie der Brasilianische Regenwald, die Polkappen, der Grönländische Eisschild, die Permafrostgebiete mit den dort eingelagerten Methanvorkommen oder der Golfstrom, die alle zusammenhängen und einander beeinflussen.
"Von insgesamt 15 solchen Tipping Points sind mindestens 9 bereits in Bewegung geraten, haben bereits begonnen, sich zu verändern", stellt Ringsmuth fest. Wenn sich an den Entwicklungen nichts ändert, droht ein Dominoeffekt, der die Erwärmung massiv beschleunigt und die Möglichkeiten des Menschen, auf die Entwicklung noch Einfluss zu nehmen, drastisch reduziert. "Das haben wir dann definitiv nihct mehr unter Kontrolle", so Ringsmuth.
Größter Kraftakt in der Menschheitsgeschichte
Wenn man sich ansieht was auf dem Spiel steht, wird die Dringlichkeit einschneidender Veränderungen deutlich. Während eine Erwärmung um 1,5°C eine weitere Verschärfung der sich bereits andeutenden extreen Wetterphänomene zur Folge haben wird, würden weite Teile dieses Planeten bei einer Erwärmung um 2°C für Menchen unbewohnbar. Teilweise ist das schlicht und ergreifend dem Umstand geschuldet, dass es ganze Gebiete nicht mehr geben wird: Ein Anstieg des Meeresspiegels um 10 Meter wird die Landkarten der Erde neu zeichnen.
Aber auch jene Landstriche, die nicht im direkten Wortsinn dem Untergang geweiht sind, geben wenig Anlass zur Hoffnung. Viele Gebiete werden unfruchtbar, die Ernährungssituation in vielen Gegenden prekär bis desaströs. Die Folge werden Massenwanderungen sein, gegen die die Flüchtlingsströme von 2015 rückblickend wie ein Sonntagsfamilienspaziergang anmuten könnten...
Um diese Entwicklung aufzuhalten, bedarf es grundlegender Änderungen in allen Lebensbereichen. Mit ein bisschen Mülltrennen und Jute statt Plastig ist hier nicht viel getan.
Wo ansetzen?
Das traumatischste Erlebnis unserer Generation, nämlich die Ohnmacht angesichts einer tödlichen Pandemie, erwies sich zumindest in Sachen CO2-Emissionen als positiv. "Im letzten Jahr hat sich unser weltweiter CO2-Ausstoß um 6,3% verringert, weil die Wirtschaft phasenweise fast ganz zum Erliegen gekommen ist. Um die notwendigen CO-Reduktionen zu erreichen, müssen wir in den kommenden Jahren dieses Niveau nicht nur halten, sondern alljährlich zusätzlich mindestens ebenso viel CO2 einsparen. Was wir brauchen ist also eine exponentielle Reduktion", erklärt der Klimaforscher.
Welche Maßnahmen sind erforderlich, um eine dermaßen dramatische Reduktion zu bewerkstelligen?
"Zum einen müssen wir alle Investitionen in fossile Energieträger sofort einstellen. Teilweise werden fossile Brennstoffe nach wie vor subventioniert. Das ist, gelinde gesagt, kontraproduktiv. Wir müssen Verhaltensweisen, die uns unserem Ziel näher bringen, unterstützen und klimaschädliches Verhalten sanktionieren", stellt der Wissenschaftler klar, und verweist auf die Bedeutung der Ernährung für unser Klima: "Wie wir uns ernähren ist ein Hauptfaktor dafür, wie erfolgreich unser Kampf um eine lebenswerte Erde sein wird."
Worauf er hofft, sind Social Tipping Points: "Wenn ein Bevölkerungsanteil von rund 1/5 seine Gewohnheiten nachhaltig ändert, dann kann das zu einem allgemeinen Umdenken und einer nachhaltigen Änderung in der gesamten Bevölkerung führen", hofft er auf politische Bewegungen wie Fridays For Future.
Der Europäische Grüne Deal
Auch die Europäische Union hat den Klimaschutz als Hauptthema definiert, da es "nicht nur unser Heute und unser Morgen, sondern das Leben aller nach uns kommenden Generationen maßgeblich bestimmt", wie Wolfgang Bogensberger, Stellvertretender Repräsentant der Europäischen Kommission in Österreich, erklärt.
Er unterstreicht die Notwendigkeit, dass jede*r Einzelne Änderungen bewirken muss - in der Art wie wir leben, arbeiten, reisen oder Dinge transportieren.
"Wir müssen Klimaschutz weniger als Einschränkung unserer Lebensqualität als vielmehr als Chance und Perspektive für unsere Zukunft wahrnehmen", so Bogensberger.
Erreicht werden soll das Umdenken durch in Gesetze gegossene, verbindliche Vorgaben. "Die Zeit der politischen Absichtserklärungen ist vorbei. Jetzt werden Klimaziele verbindlich und damit einklagbar", unterstreicht er.
Neben dem Schutz der Artenvielfalt und dem Kampf gegen Wasser- und Luftverschmutzung ist es vor allem die Initiative "Vom Hof zum Tisch", die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll. "Das betrifft den gesamten Lebenszyklus von Nahrungsmitteln - von der Produktion über die Verpackung und den Transport bis hin zum Einzelhandel und letztendlich zu den Konsument*innen, wo insbesondere die Lebensmittelverschwending ein Problem darstellt, das wir jetzt aktiv angehen werden", führt der gebürtige Steirer aus.
Bis 2050 CO2-neutral
Innerhalb der kommenden neun Jahre hat sich die Union verpflichtet, um 55% weniger CO2 in die Atmosphäre zu emittieren. Bis 2050 soll nur mehr jene Menge an CO2 ausgestoßen werden, die aus der Atmosphäre gebunden werden kann.
Ein Hauptschwerpunkt liegt hier auf dem Verkehr: Bis 2050 sollen 93% der Emissionen in diesem Bereich eingespart werden. Erreicht werden soll das durch die Umstellung auf Elektromobilität und einen konsequenten Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Im Rahmen des Europatagsfests des Landes Steiermark für Schulen haben sich die Schüler*innen des BG und der HAK Judenburg mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt und eine Reihe eigener Positionen erarbeitet, die beim Europatagsfest am 07.05.2021 einem Live-Voting unterzogen wurden. Gemeinsam wurde folgende Aussage als gemeinsame Position der steierischen Schüler*innen gewählt:
Niemand wird zurückgelassen, alle müssen mitmachen. Eine*r allein kann nichts bewirken: Nachhaltigkeit als wichtiger Aspekt bei allen politischen Entscheidungen.
Das Interview mit den beiden Gesprächspartnern, geführt von Oliver Zeisberger, hier zum Nachsehen:
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